Das fellige Such-Kommando
Wie verläuft die Ausbildung von vierbeinigen Ermittlern? Welche Einsatzmöglichkeiten gibt es? Und was erwartet die Polizei auf Nachtstreife in Berlin? Mit diesen und weiteren Fragen im Gepäck machte ich mich Ende 2023 auf zur zweitägigen Hospitation bei der Diensthundestaffel der Berliner Polizei. Von meinen Eindrücken, die ich mit in meine politische Arbeit trage, lest ihr hier.
Politik muss nah an den Menschen sein. Und politische Arbeit muss aus dem Wissen und den Erfahrungen der Praxis lernen. Daher begebe ich mich genau dorthin und schnuppere mehrmals im Jahr für jeweils einen Tag in die Arbeitswelt diverser Berliner Institutionen. Im Jobcenter Lichtenberg, im Tierpark und in der Kleintierklinik - überall dort durfte ich 2023 schon verschiedene Stationen begleiten und kennenlernen. Die Hospitationen geben mir die Möglichkeit, direkt vor Ort zu erfahren, was die Menschen umtreibt, was gut läuft und wo der Schuh drückt. Dadurch verstehe ich mehr über die Hürden in den Institutionen und ich will anpacken, sie abzubauen.
Ende 2023 stand meine inzwischen vierte Hospitation an. Ich durfte zwei Tage mit der Diensthundestaffel der Berliner Polizei verbringen! Als tierschutzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus wollte ich mehr über den Umgang und die Arbeit mit den Diensthunden erfahren. Für mich standen dabei insbesondere Fragen im Bereich des Tierschutzes im Vordergrund, so zum Beispiel die Trainingsmethoden, Unterbringung, tierärztliche Versorgung und weitere Betreuung der Tiere.
Tag 1: Vierbeinige Ermittler mit dem richtigen Riecher
In Schulzendorf, 1 Stunde 15 Minuten von meinem Wahlkreis Richtung Süden entfernt, liegt der Sitz der Diensthundführereinheit Berlins. Vor Ort erhielt ich durch die Leitung eine sehr freundliche Einführung in den Aufbau der Einheit. Mir wurde von den angewendeten Trainingsmethoden und der Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten der vierbeinigen Ermittler berichtet. Bei der Berliner Polizei sind aktuell 117 tätig, darunter:
Rauschmittelsuchhunde,
Blutspürhunde,
Personenspürhunde,
Sprengstoffspürhunde,
Tabakspürhunde,
Brandmittelspürhunde,
Leichenspürhunde sowie
Wasserleichenspürhunde.
Auf dem Dienstgelände konnte ich die Schutzhunde und Spürhunde im Einsatz sehen! Bei den Schutzhunden wurde der Biss- und der Korbstoß vorgeführt. Dazu tauschte ich mich mit der Polizei ausführlich aus: Über die Häufigkeit solcher Einsätze und inwieweit diese überwiegend präventiv und/oder deeskalierend genutzt werden. Dann waren die Spürhunde an der Reihe. Sie haben eindrucksvoll demonstriert, wie sie Fährten zu vermissten Personen genauso einfach aufnehmen können, wie zu geringen Mengen Betäubungsmittel oder zu sehr kleinen Datenträgern. Das war beeindruckend!
Im besonderen Fokus bei meinen Rückfragen stand der Einsatz des sog. Stachelhalsbandes. Der Einsatz dieser Halsbänder war mit einer Erneuerung des Tierschutzgesetzes zu Beginn des Jahres 2023 weggefallen. Das hatte den Bereich ohne ausreichende Vorbereitungszeit getroffen. Zunächst war unklar, ob bereits damit trainierte Hunde im Einsatz bleiben können. Inzwischen ist eine Umstellung erfolgt. Bereits eingesetzte Tiere können weiter im Dienst bleiben.
Im Rahmen dieser Umstellung waren die Kolleginnen und Kollegen persönlich mit der Frage beschäftigt, inwieweit die bisherigen Trainingsmittel nicht dem Tierschutz entsprachen. Sie sahen sich indirekt mit dem Vorwurf der Tierquälerei konfrontiert, den sie für sich selbst klar ablehnen. Denn auch in der Vergangenheit wurden die Trainingsmittel mit größter Umsicht eingesetzt und nicht, um dem Tier Schmerz zuzufügen.
In der Konsequenz werden Tiere jetzt ohne den Einsatz des Stachel- oder Würgehalsbandes für künftige Einsätze ausgewählt. Die Hunde müssen bestimmte angepasste charakterliche Merkmale aufweisen. Zudem entfällt die Möglichkeit, ältere Tiere mit einem hohen Schutzinstinkt, die nur an sehr erfahrene Halterinnen oder Halter abgegeben werden, noch in den Polizeidienst aufzunehmen. Stattdessen werden explizit jüngere Tiere mit weniger Prägung ausgewählt. So kann die Sicherheit im Einsatz weiterhin gewährleistet werden.
Ein dringendes Anliegen, das ich für meine parlamentarische Arbeit mitnehme, ist, dass es aktuell in wichtigen Einzelbereichen an Trainingsstoffen mangelt.
Tag 2: Mit Politikerin und Hund auf Polizeistreife
Am zweiten Tag der Hospitation hatte ich die Möglichkeit, mit auf Nachtstreife zu fahren. Mein Fokus lag nun nicht mehr allein bei den Aspekten des Tierschutzes, sondern richtete sich auch auf allgemeine Fragen über den Polizeidienst. Denn zu meiner Aufgabe als Politikerin gehört es auch, die Arbeit der Polizei kritisch zu begleiten und einzuordnen.
Nach einem kurzen Austausch mit der Kollegschaft und einer Einsatzvorbesprechung ging es gegen 18.00 Uhr direkt ins Dienstfahrzeug. Wir machten uns auf den Weg nach Nord-Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg, wo wir die gesamte Schicht verbrachten. Diverse Fälle beschäftigten uns unterwegs: Sie reichten vom Heranwinken an einen Unfallort, über die Kontrolle eines Transporters aufgrund von auffällig riskanter Fahrweise bis zu einem eingehenden Funkspruch, der zu einer Familie führte, in der der Ehemann wiederholt psychotisch aufgefallen und jetzt gegenüber Frau und Kindern auch bedrohlich geworden war.
Manchmal war der Einsatz erfolgreich: Etwa dann, wenn vermittelt und geholfen werden konnte. Das war in der Situation der Fall, als wir über Funk zu einer privaten Frauenunterkunft gerufen wurden. Eine Frau war dort in einem psychischen Ausnahmezustand kurzzeitig aggressiv aufgetreten. Das löste bei den Mitbewohnerinnen Angst aus. Ein Notarzt-Team und andere Einsatzkräfte waren bereits vor Ort und sprachen mit der Betroffenen. Mein Eindruck war, dass sich wirklich Zeit genommen und alles versucht wurde, um Zwang gegen die Person und damit verbunden eine Eskalation zu vermeiden. Die Frau konnte von einer freiwilligen Fahrt zum Urban-Klinikum überzeugt werden, um dort weitere psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Manchmal blieb der Einsatz aber auch erfolglos: Etwa dann, wenn eine Suche ins Leere ging oder der Polizeiruf aus Versehen getätigt wurde. Das war in der Situation der Fall, als wir im Görlitzer Park von einer Hilfe suchenden Person angesprochen wurden, die über eine zusammengeschlagene Person in der Nähe berichtet hat. Wegen der möglicherweise verletzten Person haben wir sehr schnell gehandelt. Erst im Verlauf der Suche hat sich herausgestellt, dass der Tatort wesentlich weiter weg lag, als vermutet und sowohl Betroffene als auch Täter deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit schon sehr weit entfernt waren. Die Suche war unter diesen Umständen von Beginn an nur wenig erfolgversprechend.
Als drogenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus war für mich insbesondere der Einsatz am Görlitzer Park interessant und lehrreich. Gleich bei der Ankunft war zu beobachten, dass Personen beim Anblick der Streife weggerannt sind. Die Kollegen berichteten, dass dies regelmäßig der Fall sei. Die Personen hätten aber im Falle einer Kontrolle ohnehin selten bis nie relevante Mengen Betäubungsmittel bei sich. Vor Ort nutzten wir dann die Gelegenheit, mit der Spürhündin nach Betäubungsmitteln zu suchen. Auch wenn in der Regel keine enormen Mengen gefunden werden, hat die Suche stets einen Mehrwert: Jeder Fund hilft dabei, den illegalen Handel zu erschweren, sowie Substanzen aus dem Verkehr zu ziehen.
Dass die Spürhündin sichtlich motiviert beim Einsatz war, fand ich eindrucksvoll. Zielgenau schaffte sie es, verschiedene Mengen im Regen und der Dunkelheit aufzuspüren. Ein aktuell sehr übliches Versteck für Betäubungsmittel scheinen Kaffeebecher zu sein, die u.a. an den parkenden Autos der Anwohnerschaft angebracht werden. Das stellt - absolut nachvollziehbar - eine Belastung für den Kiez dar.
Zum Abschluss der Streife wurden die konfiszierten Gegenstände und Substanzen in der Wache am Kottbusser Tor dokumentiert. Der zeitliche Umfang hielt sich in Grenzen. In einem kurzen Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort haben wir die Vor- und Nachteile der neuen Wache mitten im Kiez diskutiert. Der letzte Stopp der Schicht hat uns zur Asservatenkammer auf dem Tempelhofer Damm geführt. Dort wurden die beschlagnahmten Substanzen und Gegenstände abgegeben. Gegen 2.00 Uhr war der Einsatz sowie meine Hospitation beendet.
Erkenntnisse, die ich von der Nachtstreife mitnehme sind:
Viele Situationen sind zunächst schwer einzuschätzen. Es ist gleichzeitig eine sehr gute Menschenkenntnis nötig und es dürfen nicht zu früh Vor-Verurteilungen oder falsche Einschätzungen stattfinden. Die Einsätze finden aber in sehr engen Umgebungen statt und es sind oft sehr schnelle Reaktionen erforderlich, die keine Zeit und wenig Raum für lange Überlegungen oder Abwägungen lassen.
Viele der Einsätze finden mit einer Sprachbarriere statt. Das macht es allen Beteiligten mitunter schwer, sich kooperativ und konstruktiv einzubringen, wobei die Kolleginnen und Kollegen nach meiner Erfahrung stets freundlich und geduldig waren. Zudem finden sehr viele Einsätze im Kontakt mit psychotischen Personen oder Menschen mit psychischen Einschränkungen statt. Leider kann die Versorgungssituation in Berlin diesen Menschen oft nicht die notwendige Versorgung im Anschluss bieten.
Der Berufsalltag der Polizei bietet sicherlich viele frustrierende Elemente, weil langfristige Perspektiven ausbleiben oder Menschen es offenbar nicht nachvollziehen, dass ein Einsatz zu ihrem eigenen Wohl erfolgt. Aber letzteres nicht nur sicherzustellen, sondern auch gut zu erklären und den Berlinerinnen und Berlinern verständlich darzulegen, nehme ich gerne mit als unsere Aufgabe in die Politik.